Birgitta Wolf - Nachruf von Harald Kühn Zurück zur vorhergehenden Seite Zur Startseite (Übersicht) Weiter zum nächsten Thema

"Unsere Gesellschaft lebt ganz entscheidend von den Menschen, die mehr tun als ihre Pflicht."

Sehr geehrte Familien Wolf, Nestler und von Rosen Nestler, verehrte Trauergemeinde,

wir sind heute hier im Kultur- und Tagungszentrum versammelt, um Abschied zu nehmen von einer bemerkenswerten Persönlichkeit, Frau Birgitta Wolf, die am vergangenen Samstag im Alter von 96 Jahren verstorben ist. Mit großer Betroffenheit haben wir alle diese traurige Nachricht empfangen.

Im Namen des Präsidenten des Bezirkstags von Oberbayern, des Landkreises Garmisch-Partenkirchen und auch persönlich darf ich Ihnen, sehr geehrte Familien Wolf, Nestler und von Rosen Nestler mein aufrichtiges und tief empfundenes Beileid aussprechen.

Wir wollen unsere dankbare Erinnerung auf die Persönlichkeit und Leistungen von Frau Wolf richten.

Birgitta Wolf wurde am 04. Februar 1913 in Rockelstad, Helgesta, Schweden geboren. Hier wuchs sie im geschützten Rahmen des väterlichen Schlosses auf. 1933 heiratete sie mit 20 Jahren nach Deutschland und gründete eine Familie, aus der fünf Kinder hervorgingen.

Schon 1935 beteiligte sich Frau Wolf an Hilfsaktionen in deutschen Gefängnissen sowie in Internierungs- und Konzentrationslagern.

Ab 1954 nahm sie ihren Kampf um Rechte und Hilfsangebote für Gefangene und Entlassene auf. Zuerst für Jugendliche, durch den Aufbau von Pfadfinder- und Anti-Rauschgift-Gruppen, dann auch für Erwachsene im Landkreis. Mit einer großen Energie und Tatkraft besuchte sie Gefangene in den meisten Strafanstalten der Bundesrepublik, in Schweden, der Schweiz, in Österreich, Holland, Israel, Ceylon, Türkei, Iran, Italien und Griechenland. Birgitta Wolf scheute keine Mühen, keine Kosten und kein persönliches Risiko um zu helfen, auch in Grainau und in Murnau. Keine Bitte und kein Brief eines Gefangenen – es mögen Zehntausende gewesen sein – blieb unbeantwortet.

1975 erhielt sie die Einladung zur Teilnahme an einem UNO-Kongress. Hier ging es um die Verhütung von Verbrechen und die Behandlung von Straftätern. Zahlreiche Veröffentlichungen über grundlegende Reformen im Strafrecht und Strafvollzug in Fachzeitschriften und in der Tagespresse machten Birgitta Wolf im In- und Ausland bekannt. Sie hielt Vorträge an Universitäten und bei Veranstaltungen weltweit.

Als Mitbegründerin des schwedischen Reichsverbandes zur Humanisierung des Strafvollzuges, der Aktionsgemeinschaft für Kriminalrecht und Strafvollzugsreformen und der Nothilfe erreichte sie hohes internationales Ansehen. Zahlreiche Bücher entstammten ihrer Feder oder wurden unter ihrer Mithilfe herausgebracht.

1969 gründete sie die Birgitta-Wolf-Nothilfe e.V. und führte sie – zuletzt als Ehrenvorsitzende - bis zu ihrem Tod. Die Anerkennung ihrer Arbeit, die nicht von Anfang an und nicht von jedem gegeben war, ihres selbstlosen Einsatzes und nicht zuletzt die Freundschaften, die sich im Laufe der Jahre entwickelten, haben Birgitta Wolf zu Recht mit Freude und Stolz erfüllt.

Ihre erste Zeit im Landkreis Garmisch-Partenkirchen, vor allem in Murnau war auch mit Problemen behaftet. Gerade weil sie sich von Vorurteilen und Misstrauen nicht beein-drucken ließ, immer wieder für ihre Überzeugungen eintrat, informierte und diskutierte, schuf sie öffentliches Bewusstsein.

Als äußeres Zeichen des Dankes erhielt Birgitta Wolf zahlreiche Ehrungen:

Jede einzelne Ehrung belegt ihre herausragenden Verdienste.

In all den Jahren hat Birgitta Wolf noch Zeit gefunden, ihr literarisches Talent zu pflegen. Gedichte und Liedertexte in vier Sprachen zeugen davon, auch eine Oper, die 1995 in Murnau uraufgeführt wurde.

Wir denken vor allem an eine große Frau, die ihr Leben den Außenseitern unserer Gesellschaft gewidmet hat. Im Mittel-punkt ihres Handelns standen stets hilfsbedürftige Menschen, denen sie Hilfe zur Selbsthilfe gegeben hat – oft unter Vernach-lässigung eigener Belange.

Persönlich bin ich dankbar, dass ich viele Jahre mit Frau Wolf Kontakt haben konnte. Die Gespräche bei ihr zu Hause, bei Versammlungen und anderen Gelegenheiten werden mir unvergessen bleiben.

Birgitta Wolf hinterlässt ein überaus beeindruckendes Lebens-werk und einen großen Auftrag: Den Einsatz für Menschen, die nicht auf der Sonnenseite des Lebens stehen.

Wir werden Frau Wolf daher stets ein ehrendes Gedenken bewahren.



Unbequeme Verantwortung

"Wir haben das Recht,
die Gewalt zu verdammen
und die Pflicht,
Untaten zu verhindern.
Wir haben nicht das Recht,
den Menschen zu verdammen,
aber die Pflicht zu helfen,
wo keine Vorbeugung stattfand."