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Nothilfe: Schlechte Verhältnisse in Gefängnissen

Hilfsverein setzt sich für Resozialisierung von Häftlingen ein

Murnau – Die kürzlich vom Deutschen Bundestag abgesegnete Föderalismusreform bringt für die Resozialisierung von Straftätern keine Vorteile. Dies hat die erste Vorsitzende der „Nothilfe Birgitta Wolf“, Marianne Kunisch, bei der Jahresversammlung des Vereins hervorgehoben, die neben etwa zwei Dutzend Mitgliedern auch Landrat Harald Kühn verfolgte. „Die Praxis des Strafvollzugs ist jedoch schon lange Ländersache“, erklärte die Rechtsanwältin weiter, „mit dem Ergebnis, dass wir in Bayern das schlechteste Verhältnis zwischen dem Personal der Justizvollzugsanstalten und den Gefangenen haben“. Dies liege auch an der Überbelegung der Häuser.

Die Aussetzung von Strafverfahren zur Bewährung werde fast gar nicht mehr durchgeführt, weil Voraussetzung hierfür personalintensive Vollzugslockerungen seien. Erklärtes Ziel und ureigenste Aufgabe der Nothilfe sei die Resozialisierung, wie Kunisch betonte: „Und noch besser, Haft von vornherein zu vermeiden.“ Aus diesem Grund sei im vergangenen Jahr der „Täter-Opfer-Ausgleich“ fest im Verein installiert worden. Inzwischen habe Mediatorin Ulrike Leimig von der Staatsanwaltschaft bereits zehn Fälle zur Bearbeitung bekommen. „Dabei wird zwischen Täter und Opfer eine Vereinbarung geschlossen, sodass die Staatsanwaltschaft oder das Gericht das Verfahren einstellt“, sagte Kunisch. Bislang seien die Kosten für den Täter-Opfer-Ausgleich dem Täter auferlegt worden.

„Wir werden mit Frau Leimig eine Vereinbarung treffen, dass die Nothilfe diese Kosten übernimmt“, kündigte die Vorsitzende an. Dies hänge jedoch von den Bußgeldern ab, die der Nothilfe von Staatsanwaltschaften und Gerichten zur Verfügung gestellt würden. „Ohnehin ist es seit 1994 Gesetz, dass in jeder Lage eines Strafverfahrens ein Täter-Opfer-Ausgleich vorgenommen wird“, sagte Kunisch. „Nur wird das meistens nicht gemacht – obwohl es längerfristig für alle weniger Arbeit bedeuten würde.“

Aus der Schule plauderte Nothilfe-Mitarbeiterin Helga Engel, die Häftlinge in der Berliner Haftanstalt Tegel betreut. „Die Betreuung der Gefangenen ist am schwierigsten, wenn deren Entlassung bevorsteht“, wusste sie zu berichten: „Die meisten von ihnen sind keine Kämpfernaturen, sondern labil. Sonst wären sie wohl nie im Strafvollzug gelandet.“ Gesucht würden vor allem Briefpartner für kontaktlose Gefangene.

Bei den anstehenden Vorstandswahlen wurden Kunisch als Erste Vorsitzende, Margret Wölfel als ihre Stellvertreterin und Schatzmeister Franz Geiger in ihren Ämtern bestätigt. Auch Birgitta Wolf (93), die die Nothilfe 1969 ins Leben gerufen hatte, meldete sich zu Wort: „Unsere Arbeit passiert mehr im Stillen – nicht in der breiten Öffentlichkeit.“

K Heino Herpen

Artikel vom 13.10.2006 im Archiv des Münchner Merkur

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